Digitalisierung – worum geht es wirklich? Gastbeitrag Nordwest-Zeitung

Artikel zum Thema Digitalisierung aus der Nordwest-Zeitung November 2017

Zu meinem Gastbeitrag in der Nordwest-Zeitung mit Dr. Bernhard Becker vom 7. November 2017 finden Sie untenstehend den Volltext:

Digitalisierung – worum geht es wirklich?

Weiß man in Wirtschaft oder Politik nicht weiter, macht oft ein Wort die Runde: Digitalisierung. Ob Heilsversprechen oder Schreckgespenst – die Zukunft soll Daten und Software gehören… und dem, der sie für sich zu nutzen weiß. Das sagt sich leicht, doch springt zu kurz.
Denn Digitalisierung ist kein Naturgesetz, sondern betrifft jede Branche anders: Smartphones haben Handys ersetzt und Videotheken weichen Amazon und Netflix, doch werden unsere Kinder auch künftig von echten Menschen vor Ort unterrichtet, und Schallplatten erleben gerade wegen mp3 und Streaming ein Comeback als Premium-Artikel.
Zudem ist Digitalisierung zur Formel für Alles und nichts geworden – will man sie gewinnbringend gestalten, muss jedoch klar sein, worüber man eigentlich spricht. Versuchen wir also, zum Kern vorzudringen:

Es geht um Daten und unseren Umgang damit
Wir können heute beinahe alles messen – die Technik dafür ist so klein und günstig geworden, dass Uhren den Puls messen und selbst Jeans mit Chips versehen werden. Zugleich fließen Daten, die vorher an einzelne Geräte gebunden waren, nun online zusammen, wo sie überall verfügbar sind und in neuen Zusammenhängen genutzt werden können. Nicht zuletzt wird Informationsverarbeitung immer schneller und billiger…ein Auto anno 2017 leistet hier mehr als manch Großrechner der 90er Jahre.

Der Nutzen: Qualifizierung und Automatisierung
Aus dem Dreiklang „mehr Daten – stets zur Hand – schnell verarbeitbar“ ergeben sich zwei große Möglichkeiten:
Zum einen können Menschen schneller und besser entscheiden, wenn ihnen Computer im passenden Moment die richtigen Informationen liefern. Die Technik spielt uns den Ball vor die Füße, damit wir ihn mit Feingefühl einlochen – bei Intuition, Empathie und Improvisationstalent macht uns keine Maschine etwas vor.
Zum anderen lassen sich mehr und mehr Prozesse, die auf Routinen basieren und wenig Überraschungspotenzial bergen, an Maschinen delegieren – besonders, wo es um Präzision geht oder menschliche Arbeit keine hohe Wertschöpfung erbringt. Automatisierung macht schon lange nicht mehr am Fließband halt.

Die Zukunftsfrage: Mensch oder Maschine?
Denken wir an unsere Geschäftsmodelle und die eigene Rolle, geraten wir unweigerlich ins Grübeln: Wo könnten uns Computer ersetzen? Wo können wir, im Gegenteil, diese für uns arbeiten lassen, um uns auf das zu konzentrieren, was wir am Besten machen?

Die Antwort finden wir, wenn wir uns auf uns selbst besinnen: Was macht uns einzigartig? Wo bringen wir die meiste Wertschöpfung? Welche Probleme lösen wir für unsere Kunden und welche Erlebnisse verbinden sie mit uns? Wir müssen den menschlichen Kern unserer Arbeit erkennen und uns auf ihn konzentrieren – mit bestmöglicher Unterstützung durch Computer. Was nicht unmittelbar dazugehört, sollten wir kritisch überprüfen: Können Maschinen diese Arbeiten besser erledigen? Sollten wir sie überhaupt noch anbieten?

Allgemeingültige Rezepte zu geben, wäre unseriös. Doch lassen sich einige Trends erkennen:

Trend 1: Erkenntnis statt Herrschaftswissen
Verbreiten sich Informationen rasend schnell, kann keiner lange einen Wissensvorsprung halten und Erfahrungswerte tragen nicht mehr weit. Geschäftsmodelle, die auf dem exklusiven Zugang zu Wissen beruhen – vom Makler übers Lehrbuch bis zur Kontakt-Datenbank – sind in Gefahr. Die neue Kernkompetenz ist, aus dem Meer an Daten effizient die richtigen herauszufischen und daraus schneller als Andere nutzbare Schlüsse zu ziehen.

Trend 2: Individualisierung statt Standards
Sind Daten überall verfügbar, ist Vergleichen einfacher denn je – und die verschiedenen Optionen werden deutlich. Damit lassen sich Menschen kaum noch an ein „großes Ganzes“ binden, sondern suchen sich gezielt die gewünschten Komponenten zusammen. Für Händler und Hersteller ist dies eine große Herausforderung: Kunden informieren sich stärker vorab, statt fester Programme und Sortimente sind flexible Baukästen gefragt.

Trend 3: Führung statt Management
Lässt sich immer weniger vorhersagen, wie sich die Märkte entwickeln, gilt es Chancen als erstes zu erkennen und am Besten auszuschöpfen. Klassische Planung ist dafür zu starr, der Weg durch die Hierarchie oft zu langsam. Verwaltungsprozesse werden zunehmend automatisiert, während Mitarbeiter mehr Freiheiten erhalten, um spontan reagieren zu können. Dieser Weg verlangt jedoch klarere Ziele, Regeln und Kriterien. Kurzum: Computer ersetzen Manager – aber nicht Führung.

Mehr als eine Frage der Technik
Für eine Gesellschaft, in deren Adern Informationen fließen, bedeutet die Digitalisierung einen ähnlich tiefgreifenden Wandel wie Buchdruck oder Telefonie. Das heißt nicht, dass plötzlich Alles anders wird – Menschen neigen dazu, Muster beizubehalten. Doch das Spielfeld wandelt sich enorm. Und Jeder muss sich fragen, was das für seine eigene Strategie bedeutet. Nüchtern und systematisch.

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